Was ist ein Trauma?

Als Trauma bzw. Traumata werden Erlebnisse bezeichnet, die uns überwältigen und unsere Fähigkeiten, sie zu verarbeiten und uns wieder davon zu erholen, übersteigen. Manchmal können wir noch Jahre oder Jahrzehnte nach einem Vorfall oder einer schwierigen Lebensphase sehr stark darunter leiden. Ein solches Beispiel dafür ist das Schleudertrauma, das lange Zeit in seinen schädlichen Auswirkungen auf Körper und Psyche stark unterschätzt oder sogar bagatellisiert wurde. Heute wissen wir glücklicherweise dank der Erkenntnisse aus der Traumaforschung weit mehr über die möglichen Auswirkungen von unverarbeiteten Traumata und über deren Heilung!

Unverarbeitetes Trauma erkennen

Oft liegt der Zusammenhang zwischen aktuellen Beschwerden und Symptomen und deren Ursachen (dem traumatischen Ereignis oder der belastenden Lebensphase) im Verborgenen. Menschen nehmen dann vielleicht «nur» wahr, dass sie sich fast durchgehend gestresst oder erschöpft fühlen, sie leicht in Wut geraten, Angst haben, überfordert sind, körperliche Beschwerden sie plagen oder schlecht zur Ruhe kommen können. Und sehr oft ist uns leider gar nicht bewusst, dass gewisse aktuelle Symptome mit längst vergangenen und teilweise nicht bewussten Erfahrungen der frühen Kindheit (z.B. eine schwierige Geburt, Erfahrungen von Bedrohung im Mutterleib, schmerzhafte Kindheitserlebnisse, Gewalterfahrungen, einem Unfall, einer Operation, der schweren Erkrankung eines Elternteiles oder dessen Tod u.a.) zusammenhängen.

Hier die einfachste Definition von Trauma, die ich kenne:

Trauma = zu viel, zu schnell, zu plötzlich!

Dieser Satz bringt treffend zum Ausdruck, worum es bei einem Trauma geht, nämlich dass traumatische Ereignisse und Lebenserfahrungen Menschen so unvorbereitet treffen und von einer solchen Intensität sein können, dass sie die gewohnten Bewältigungsmechanismen überfordern und lange Zeit danach negative Auswirkungen haben und das Leben erschweren können.

Alle Erfahrungen, die wir jemals gemacht haben, sind in uns gespeichert. Sie machen uns zu dem einzigartigen Menschen, der wir heute sind. Als Menschen in und mit einem physischen Körper sind wir zutiefst verletzbare Wesen. Verlust und Verletzungen gehören zum Leben, jedoch auch die Fähigkeit, uns wieder davon zu erholen, alte Wunden zu verarbeiten und wieder Schönes zu erleben – und manchmal brauchen wir dazu die (professionelle) Hilfe anderer Menschen.

Zeit heilt nicht immer alle Wunden

Der Volksmund besagt, dass Zeit alle Wunden heilt. Es stimmt, dass Körper und Psyche über wunderbare Fähigkeiten zur Selbstheilung verfügen, für die wir aus ganzem Herzen dankbar sein dürfen! Man denke beispielsweise an eine kleine Verletzung, wie eine Schürfwunde, die im Normalfall im Laufe weniger Tage auf wundersame Weise verheilt, sofern wir diesen Prozess nicht stören. Doch dann gibt es körperliche und seelische Wunden, die so stark sind, dass die Zeit alleine nicht ausreicht, um sie zu heilen und wo wir die Hilfe anderer Menschen und Fachleute benötigen.

Das Sprechen über eine schmerzhafte Erfahrung mit jemand Vertrautem, ist sicherlich ein erster wichtiger Schritt zur Heilung. Schwieriges mitteilen, der eigenen Wahrnehmung vertrauen und anerkennen, was einmal so bedrohlich war und heute noch als schwierig empfunden wird und was wir gerne verändern würden in unserem Leben. Doch Sprache allein reicht oft nicht, um tiefe Verletzungen zu heilen; dafür müssen wir uns mit der Biologie des Traumas befassen und bei der Heilung dort ansetzen.

Grundlagen von Somatic Experiencing® (SE)

Somatic Experiencing®, kurz SE genannt, ist der Name der Traumaheilungsmethode, die von Dr. Peter Levine in seiner jahrzentelangen Arbeit als Therapeut entwickelt und in eine Form gebracht wurde. Das zentrale an SE ist, dass es sich dabei um einen sehr achtsamen und ganzheitlichen Ansatz handelt, bei welchem dem Körper – allen voran dem autonomen Nervensystem – eine zentrale Bedeutung zukommt. Es gibt Prozesse, die unserer willentlichen Steuerung unterliegen; wir können bestimmte Handlungen bewusst und willentlich ausführen, können Entscheidungen treffen und etwas planen. Unzählige Prozesse ins uns verlaufen jedoch ohne unsere bewusste Steuerung: Unser Atmungssystem, Herz-Kreislauf-System, Verdauungssystem, Urogenitalsystem, Hormonsystem, Nervensystem, Stütz- und Bewegungssystem, alle diese Systeme und Prozesse arbeiten miteinander zusammen und laufen weitgehend ohne unser bewusstes Zutun ab. Das Gewahrwerden, Beobachten und Fühlen dieser körperlichen autonomen Reaktionen ist Gegenstand der Arbeit mit SE. Mit ihr können wir auf autonome Prozesse heilsam einwirken, sodass Blockiertes, Einseitiges, Abgespaltenes und Disharmonisches wieder integriert werden und in eine gesunde Ordnung, einen gesunden Rhythmus und in Balance kommen kann.

Autonome Reaktionen auf Bedrohungen

Peter Levine schaute bei der Frage, wie wir Menschen bedrohliche Erfahrungen (Traumata) verarbeiten, zunächst darauf, wie Tiere mit den lebensbedrohlichen Gefahren umgehen, denen sie tagtäglich ausgesetzt sind. Dabei wurde ihm klar, dass Tiere (ebenso wie Menschen) in Momenten erlebter Bedrohung über angeborene autonome Mechanismen verfügen, die mehrheitlich im ältesten Teil unseres Gehirns, dem sog. Stammhirn («Reptilienhirn») angesiedelt sind und uns mit folgenden instinktiven Überlebensmechanismen bzw. autonomen Reaktionsweisen ausstatten:

  • Kampf-Reflex
  • Flucht-Reflex
  • Totstell-Reflex (Dissoziation)
  • Schutz der Herde (Gruppe) aufsuchen

Unvollendet und unterdrückte Prozesse

Zu einem unverarbeiteten Trauma und zu Symptomen kommt es aus Sicht von SE dann, wenn diese natürlichen autonomen Reaktionen verunmöglicht oder unterbrochen wurden und diese Prozesse sich nicht vollenden konnten. Dann stecken wir in einem Zustand und einer Zeit unseres Lebens fest, wie in einem innerlichen Gefängnis und wiederholen (obwohl wir das eigentlich nicht wollen!) ständig gewisse leidvolle Erfahrungen – solange, bis wir innerlich bereit sind, um wirklich hinzuhören, hinzusehen, hinzudenken, hinzufühlen und hinzuspüren. Dann kann die festgehaltene Energie wieder ungehindert fliessen und die blockierten Prozesse können zu einem Abschluss kommen. Im Grunde genommen, ist es immer die Wahrheit, die heilt. Die Wahrheit jeden Augenblicks. Keine zwei Menschen (auch nicht Geschwister oder Zwillinge) sind sich gleich oder nehmen ihre Eltern oder eine Situation auf dieselbe Weise wahr. Jeder Mensch ist ein Kosmos für sich und kommt vielleicht sogar mit Erfahrungen aus anderen Leben und mit unterschiedlichen und individuellen Lebenslernerfahrungen in dieses Leben.

Die Fähigkeit, auch überwältigende Erfahrungen zu meistern und zu verdauen, ist uns angeboren.

Dr. Peter Levine

Heilung von Traumafolgen

Die Heilung belastender Erfahrungen mit der Somatic Experiencing (SE) Methode von Peter Levine erfolgt durch das Bewusstwerden und Anerkennung dessen, was in der Vergangenheit auf uns einwirkte und auch heute noch wirkt, da es abgespalten und verdrängt wurde. Mit SE üben wir das Gewahrwerden und ganzheitliche Erleben und verstehen Lernen der vielfältigen (autonomen) körperlichen und psychischen Reaktionen und Empfindungen. Und je mehr wir unsere Wahrnehmung schulen, desto feiner und differenzierter können wir uns selber, unsere gesunden, als auch unsere traumatisierten Anteile und Überlebensmuster und unsere Mitmenschen verstehen und wahrnehmen. Unser Selbstausdruck und unser Leben wird reicher, vielfältiger, erfüllter und freier. Wir entwickeln mehr Verständnis und Empathie für uns und für andere und fangen an zu begreifen, was es tatsächlich bedeutet, Mensch zu sein.

Aus der eingangs formulierten Kurz-Definition von Trauma (zu viel, zu schnell, zu plötzlich!) ergibt sich für die Heilung von unverarbeiteten traumatischen Erfahrungen mit Hilfe von SE, dass wir folgendes ganz besonders beachten:

  • Nicht zu viel aufs Mal wollen! Schritt für Schritt und sehr dosiert wirst du lernen, dich für gewisse Empfindungen zu öffnen oder aber – im Gegenzug – dich (wo angebracht) besser abzugrenzen und dein autonomen Nervensystems kennen und regulieren zu lernen.
  • Nicht zu schnell vorgehen! Heilung braucht Zeit und vollzieht sich in Phasen. Im SE pflegen wir deshalb die Langsamkeit: Wir verlangsamen Prozesse, damit sie in ihrer Gänze wahrgenommen und bewusst werden können. Wir dehnen die Zeit, damit das, was sich zeigt, empfunden und integriert werden kann. Auf diese Weise entlädt sich die festgehaltene Aktivierungs-Energie langsam und dein Organismus wird lernen, sich sachte wieder zu entspannen. Du schärfst dein Bewusstsein für innere und äussere gesunde Rhythmen, die du immer mehr suchen, achten und pflegen kannst.
  • Nichts überstürzen! Traumatische Erfahrungen ereigneten sich meistens ohne Vorwarnung und waren einfach viel zu intensiv für Körper, Seele und Psyche. Aus diesem Grunde ist es das oberste Ziel, dass du dich sicher fühlen und mittels Informationen und Anschauungsmaterial zum Thema Trauma das Erlebte gut einordnen kannst. Mit SE wirst du lernen, die unterschiedlichen Reaktionen und Empfindungen in deinem Innern und in deiner Umgebung differenziert wahrzunehmen, deiner Wahrnehmung und Wahrheit immer mehr zu vertrauen und an Orientierung, Entspannung, Energie und Bewusstheit zu gewinnen.

Ich arbeite per Videotelefonie, Skype und in meiner Praxis.

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